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«Wir machen Natur-Schoggi, nicht Labor-Schoggi»

Ein modernes Labor am Zürichsee statt einer Plantage in Übersee: Im Interview erklärt Christian Staub, CEO von Food Brewer, wie sein Start-up die Produktion von Kakao und Kaffee mit Zellkulturen revolutioniert.

Christian Staub, warum haben Sie Food Brewer gegründet?

In meiner Karriere als Unternehmensberater habe ich mich intensiv mit der Proteinherstellung für die Pharmaindustrie auseinandergesetzt. Dabei habe ich ein grundlegendes Problem erkannt: Die Präzisionsfermentierung, mit der man diese Proteine herstellt, ist aufwendig und teuer. Es wäre kostengünstiger, die Zellen direkt aus der Natur, zum Beispiel von Pflanzen, zu gewinnen. Zu der Zeit gab es zwar wissenschaftliche Versuche, Kakaozellen zu züchten. Aber kommerziell hat diese Technologie noch niemand genutzt. Also habe ich Food Brewer gegründet.

Warum braucht es Kakao oder Kaffee aus dem Labor?

Kakao und Kaffee sind besonders attraktive Kandidaten für alternative Produktionsmethoden, da ihr Anbau im tropischen Gürtel besonders schwierig ist. Monokulturen in diesen Regionen sind problematisch und oft nicht nachhaltig. Zusammen mit dem Klimawandel, der für Engpässe und Ernteausfälle sorgt, und der stetig steigenden Nachfrage treibt das die Preise für Kakao und Kaffee in die Höhe. Wenn wir diese Nahrungsmittel hier in der Schweiz herstellen können, ist das ökologischer – und am Ende günstiger.

Wie entsteht die Labor-Schokolade von Food Brewer?

Bei Food Brewer setzen wir auf zwei verschiedene Lösungen. Erstens entwickeln wir eine pflanzliche Alternative für Kakao, für die wir Getreide fermentieren und rösten. Wir stellen also ein Produkt her, das wie Kakao schmeckt, aber null Prozent Kakao enthält. Zweitens nutzen wir die Zellkultivierung und lassen die Bohnen quasi bei uns im Labor wachsen. Das Ergebnis ist «echter Kakao», der aus den gleichen Zellen besteht wie eine Bohne, die in der Natur wächst. Wir machen keine Labor-Schoggi, sondern Natur-Schoggi!

Wie funktioniert die Zellkultivierung?

Zunächst suchen wir gezielt nach seltenen und hochwertigen Bohnenvarietäten und wählen die besten Bohnen aus. Wir entnehmen einer Bohne wie bei einer Biopsie etwas Gewebe und bringen die Zellen im Brautank dazu, sich zu vermehren. Dazu füttern wir die Zellkulturen mit natürlichen Zutaten wie Wasser, Salz und Mineralien. Es entsteht eine Biomasse, die wir nach einer gewissen Zeit ernten und zu Kakao- oder Kaffeemasse verarbeiten.

Wie reagieren Chocolatiers auf diese neuen Methoden?

Sie sind sehr interessiert, aber auch etwas zurückhaltend, da sie nicht wissen, wie sie sich positionieren sollen. Unser Geschäftsmodell basiert auf einem B2B-Ansatz: Wir stellen keine eigene Schokolade her, sondern produzieren die Grundmasse oder Couverture für bekannte Marken. Dazu arbeiten wir bereits mit drei grossen, global tätigen Chocolatiers zusammen: Felchlin und Lindt in der Schweiz, Puratos in Belgien. Mit weiteren Unternehmen stehen wir kurz vor einer Zusammenarbeit.

Wo steht Food Brewer in seiner Entwicklung als Unternehmen?

Wir haben etwas erreicht, was ich in meiner langjährigen Erfahrung als Gründer und Investor noch nie erlebt habe. Vor zweieinhalb Jahren haben wir mit einem einzigen Mitarbeiter begonnen, heute beschäftigen wir über 20 Mitarbeitende – ein unglaublicher Erfolg, den ich mir nicht hätte erträumen können. Wir haben bereits einen Umsatz von einer Million Euro erzielt, und das ohne direkten Verkauf. Dieser Erfolg basiert auf Kollaborationen und Projekten, die unsere Technologie und Expertise nutzen.

Wie haben Sie das erreicht?

Ich habe zuvor in einer Biotechnologiefirma gearbeitet und bin seit zwei Jahrzehnten als Unternehmer tätig. Diese Erfahrung hat uns geholfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und effizient zu arbeiten. Unser Team ist extrem vielseitig und international, was uns ermöglicht, globale Perspektiven und Netzwerke zu nutzen. Und der Standort auf dem Campus Horgen bietet uns Platz zum Wachsen und eine gute Anbindung an viele Chocolatiers in der Nähe, wie Lindt, Läderach und Felchlin.

Wie sieht der Markt für Schokolade und Kaffee im Jahr 2050 aus?

Das wird ein wilder Mix aus Zellkulturen und Alternativen, ähnlich wie heute bei Fleisch oder Milch und den vielen Alternativen. Letztlich geht es immer um die Frage: Was ist der Kilopreis? Unsere Nährlösung kostet nur ein paar Cents pro Liter; ersetzt man die Plantage durch ein Labor, fallen viele logistische Hürden. Grosse Firmen werden auf diesen Trend aufspringen, sobald sie merken, dass es sich finanziell lohnt. Eine andere Zukunftsvision ist es, dass Konsumentinnen und Konsumenten ihren eigenen Kakao auf dem Balkon herstellen. So können sie nachhaltigen und hochwertigen Kakao oder Kaffee direkt zu Hause herstellen. Die Skalierbarkeit in diesem Markt ist immens!

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